
Warum ist eine Samenspende erlaubt – und eine Eizellspende nicht?
Dass Männer in Deutschland ihre Spermien spenden dürfen, ist längst selbstverständlich. Frauen dagegen dürfen ihre Eizellen nicht spenden – obwohl beides denselben Wunsch erfüllt: einem anderen Menschen die Chance auf ein Kind zu schenken.
Warum also diese Ungleichbehandlung? Und was steckt historisch, ethisch und gesellschaftlich wirklich dahinter? Ich erkläre dir, wie es zu dem Verbot der Eizellspende kam – und warum sich gerade so viel bewegt.
Ein Blick ins Gesetz – und in die Vergangenheit
Die Grundlage für das Verbot ist das Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1990. Es untersagt ausdrücklich, „eine Eizelle auf eine andere Frau zu übertragen als diejenige, von der sie stammt“.
Die Samenspende war zu diesem Zeitpunkt längst etabliert – und galt als ethisch unbedenklich. Bei der Eizellspende dagegen befürchtete man, sie würde dem Kind seelischen Schaden zufügen.
Man sprach von einer „gespaltenen Mutterschaft“ – der Vorstellung, dass genetische und austragende Mutter nicht dieselbe Person sind. Damals war das eine große moralische Frage.
Doch seither sind mehr als 30 Jahre vergangen – und die Forschung zeigt klar: Kinder, die durch eine Eizellspende entstanden sind, wachsen gesund, stabil und geborgen auf, wenn Eltern liebevoll und offen mit ihrer Geschichte umgehen (s. Golombok, University of Cambridge, 2019).
Angst, Kontrolle und ein Stück Misstrauen gegenüber Frauen
Wenn man die Debatten der 1980er Jahre liest, wird schnell klar: Das Verbot war nicht nur medizinisch motiviert, sondern auch kulturell. Es war Ausdruck eines tief verwurzelten Misstrauens gegenüber weiblicher Selbstbestimmung.
Die Sorge war: Frauen könnten ihre Körper „zu sehr für andere einsetzen“ – oder finanziell ausgenutzt werden. Heute wissen wir: Solche Risiken lassen sich durch klare Gesetze, medizinische Standards und psychologische Begleitung sehr gut verhindern.
In Ländern wie Spanien, Dänemark, England oder Österreich wird die Eizellspende seit vielen Jahren reguliert, medizinisch begleitet und ethisch verantwortungsvoll durchgeführt. Spenderinnen werden sorgfältig aufgeklärt, mild stimuliert und dürfen nur wenige Male spenden.
Kurz gesagt: Das, was Deutschland durch ein Verbot verhindern wird, könnte man durch gute Regeln ermöglichen.
Das Paradox: Was das Verbot in der Realität bewirkt
Heute reisen jedes Jahr 5.000 bis 10.000 Deutsche für eine Eizellspende ins Ausland. Sie tun nichts Unmoralisches – sie erfüllen sich schlicht den Wunsch nach einer Familie.
Doch viele von ihnen denken, sie müssten dies heimlich tun. Viele trauen sich nicht, mit Ärzt:innen in Deutschland offen zu sprechen, weil sie befürchten, diese könnten sich strafbar machen.
Manche verschweigen die Spende sogar während der Schwangerschaft – aus Angst vor Unverständnis oder Scham. Dies kann medizinisch für die Erkennung von Risiken sehr problematisch sein.
Das Verbot, das einst dem „Kindeswohl“ dienen sollte, sorgt also dafür, dass Eltern und Kinder im Schatten leben müssen. Und das, obwohl in Deutschland längst geschätzte 100.000 Kinder nach einer Eizellspende geboren wurden – Kinder, die geliebt, gewollt und willkommen sind.
Was ist mit dem Kindeswohl?
Das zentrale Argument gegen die Eizellspende war lange das Kindeswohl. Doch heute wissen wir: Kinder, die durch eine Spende entstanden sind, brauchen Ehrlichkeit und Geborgenheit, während Geheimhaltung dem Kind schaden kann.
In Ländern mit offenen Spenden – etwa in Portugal – können Kinder ab einem bestimmten Alter erfahren, wer ihre Spenderin ist. Diese Transparenz gilt als förderlich für die Identitätsentwicklung.
In Deutschland dagegen drängt das Verbot viele Familien in die Anonymität. Ein Gesetz, das einst zum Schutz des Kindes gedacht war, verwehrt ihm heute sein Recht auf Herkunft.
Schutz der Spenderin – aber auf Augenhöhe
Oft wird argumentiert, man müsse Frauen vor Ausbeutung schützen. Das ist richtig – aber das lässt sich durch Verantwortung, nicht durch Verbote erreichen.
In regulierten Ländern ist die Eizellspende eine medizinisch gut betreute und ethisch durchdachte Praxis. Spenderinnen erhalten dort eine moderate Aufwandsentschädigung (z. B. ca. 1.000 € in Spanien) und müssen medizinische wie psychologische Tests durchlaufen. Ihre Gesundheit steht im Mittelpunkt.
Viele spenden primär aus einem Mitgefühl anderen Wunsch-Mamas gegenüber. In meinen Gesprächen mit Spenderinnen sagen besonders Frauen, die selbst schon Mütter sind, oft: „Ich wollte einer anderen Frau das ermöglichen, was ich selbst schon erleben durfte.“
Hoffnung auf Veränderung – was sich 2024 getan hat
Im April 2024 hat eine Expertenkommission der Bundesregierung empfohlen, die Eizellspende in Deutschland unter klaren Auflagen zu legalisieren.
Dazu gehören:
- verpflichtende psychologische Beratung für Spenderin und Empfängerin,
- ein zentrales Register, ähnlich wie bei der Samenspende,
- und strenge medizinische Qualitätsstandards.
Diese Empfehlungen markieren einen Wendepunkt. Zum ersten Mal seit über 30 Jahren steht das Thema ernsthaft auf der politischen Agenda – getragen von Medizin, Ethik und der Erfahrung tausender Familien. Bislang bleiben konkrete Umsetzungen der Empfehlungen jedoch aus.
Fazit: Gleiches Recht auf Familie und Zeit für Vertrauen
Die Frage, warum Männer spenden dürfen und Frauen nicht, ist längst nicht nur eine juristische, sondern eine gesellschaftliche. Es geht um Gleichbehandlung. Um Vertrauen in die Fähigkeit von Frauen, selbst über ihren Körper zu entscheiden zu dürfe.
Wenn wir akzeptieren, dass Männer Leben schenken dürfen – warum sollten Frauen das nicht auch dürfen?
Das Verbot der Eizellspende war einst Ausdruck von Unsicherheit und Angst. Es sollte schützen – doch in Wahrheit schränkt es ein. Es zwingt Frauen und Paare dazu, Grenzen zu überqueren, heimlich zu handeln und sich zu verstecken, obwohl sie nichts anderes wollen, als Eltern zu werden.
Heute wissen wir: Familien nach Eizellspende sind liebevoll, stabil und glücklich. Kinder, die auf diesem Weg geboren wurden, sind gesund, geborgen – und vor allem: gewollt und willkommen.
Deshalb braucht es jetzt Mut zu einer neuen Haltung. Vertrauen in Frauen, in Medizin, in Aufklärung – und in die Stärke moderner Familien.
Häufige Fragen zu Samenspende und Eizellspende
Ja. Wenn du im Ausland eine Eizellspendenbehandlung machst, ist dies nicht strafbar. Das deutsche Gesetz gilt nur innerhalb Deutschlands.
Historisch wurde befürchtet, eine „gespaltene Mutterschaft“ könne dem Kind schaden. Diese Annahme gilt heute als überholt.
Ja – z. B. Großbritannien, Portugal oder Österreich. Dort dürfen Kinder später den Namen ihrer Spenderin erfahren. In vielen anderen Ländern ist die Eizellspende anonym.
Viele Wunscheltern fragen sich, ob eine Eizellspende gefährlich sein kann. Durch hormonelle Stimulation kann es zu leichten Nebenwirkungen kommen, die in regulierten Ländern eng überwacht werden. Schwere Komplikationen sind aber sehr selten.
Sehr wahrscheinlich. Fachgesellschaften, Ethiker:innen und Politiker:innen fordern seit Jahren eine Reform. Die Empfehlung von 2024 ist ein wichtiger Schritt nach vorn.

Autorin: Dr. Yvonne Frankfurth
Egg & Nest ist mein Herzensprojekt.
Es vereint meine Forschung aus Cambridge mit Erfahrungen aus der Kinderwunschberatung.
Warum? Weil gute Entscheidungen Fakten brauchen – und ein Bauchgefühl, dem man trauen kann.




